Rezension | Twilight von Stephenie Meyer - 10 Jahre später



"When life offers you a dream so far beyond any of your expectations, it’s not reasonable to grieve when it comes to an end."

Nein, Bella. Es ist verdammt nochmal reasonable. Es ist normal. Es ist menschlich, du Freak.




Nennt mich verrückt, aber ich habe Twilight nach fast einem Jahrzehnt erneut gelesen. Das ist jetzt schon wieder drei Jahre her, aber ich wollte diese Rezension (übrigens meine einzige Rezension des Buches) trotzdem beenden. 
Vielleicht liegt es daran, dass ich mir in der Zeit viele Gedanken über mein Leseverhalten, mein Rezensionsverhalten, mein Schreibverhalten und überhaupt alle -verhalten gemacht habe. Deshalb habe ich die Uhr zurückgedreht und bin fast ein Jahrzehnt zurückgesprungen zu meinem 16-jährigen Ich und der ersten Geschichte, die es nach Harry Potter geschafft hat, mich auf dieselbe Weise in ihren Bann zu ziehen. 
Was genau hat mich damals daran so fasziniert? Was hat mich dazu gebracht, mehr zu wollen, mich über das Buch auszutauschen, Midnight Sun nicht nur zu lesen, sondern vorzulesen, sogar Fanfiction zu schreiben (kürzlich HIER wiedergefunden und äußerst amüsant)? Tatsächlich habe ich das Buch nur zweimal kurz hintereinander gelesen und danach nie wieder. Im Laufe der weiteren Bücher und Filme habe ich eine immer stärkere Abneigung gegen eine Geschichte entwickelt, die mich ursprünglich doch so gepackt hatte. Noch heute stehen die Bücher in meinem Regal, blieben aber bis dahin unangetastet.
Ich will nicht lügen: Mein 25-jähriges Ich hat erwartet, dieses Buch zu hassen. Mein Lesegeschmack hat sich in dieser Zeitspanne zu sehr verändert. Ich bin so kritisch geworden, dass ich dachte, es wäre unmöglich, aus dieser Geschichte herauszukommen und ihr nicht die Wertung "1 Stern" zu geben. Gerade auch, weil ich The Chemist gar nicht mochte, aber trotzdem das Gefühl hatte, dass das Buch besser war als Twilight. Rückblickend fand ich es tatsächlich nicht besser. Allerdings spreche ich hier nur vom ersten Band der Vampirreihe.

Warum Twilight nicht so schlimm ist, wie ich dachte


Liebesdreieck? Welches Liebesdreieck? Das Liebesdreieck-Gefangirle. Das ist vermutlich einer der größten Gründe, warum ich die Bücher und Filme rückblickend anders betrachte. Liebesdreiecke sind furchtbar, wir haben sie schon so oft gesehen und überhaupt war uns doch von Beginn an klar, mit wem Bella am Ende zusammen sein würde. Tatsache ist jedoch, dass es in Twilight kein Liebesdreieck gibt. Bella empfindet hier rein gar nichts für Jacob. Und Jacob... Wie sehr kann der Bella schon mögen, wenn er sie vielleicht dreimal gesehen hat? Jedenfalls nicht mehr als Mike oder Tyler oder Eric oder... Gut, lassen wir das.

Aus dem Kontext gerissen --- Viele Zitate sind heute aus dem Kontext gerissen und hören sich da noch viel bescheuerter an als sie im Buch tatsächlich sind. Etwa "Du bist jetzt mein Leben", ein Zitat, das besonders im Trailer zum Film FURCHTBAR herüberkam. Ganz ganz furchtbar. 
Im Buch allerdings in einem Zusammenhang stand, in dem es zwar noch immer übertrieben, aber nicht ganz so lächerlich wirkte. Von dieser Sorte gibt es tatsächlich einige Zitate, fast alle der großen Zitate stehen im Buch in einem Dialog, der darauf hinausläuft und in sich schlüssig ist, im Film aber werden sie einfach zusammenhanglos in den Raum geworfen.

Die Schreibweise --- Hier muss ich ehrlich sagen: Ich mag die Art und Weise wie Stephenie Meyer schreibt. Sie hat etwas, das mich in ihren Bann zieht. Deshalb hat mir ja auch Seelen so gut gefallen. Sie taucht tief in die Gefühlswelt ihrer Protagonisten ein. Sie stillt damit in diesem Buch den Durst junger Mädchen nach romantischen Momenten. Diese Momente sind dann so ausführlich beschrieben, dass man sich wirklich in diese Position hineinversetzen kann. Das ist eine Sehnsucht, die da befriedigt wird. Man kann vieles über Meyer sagen, aber das macht sie wirklich gut.

Bella ist nicht dumm --- Überraschenderweise ist Bella nicht dumm. Das habe ich über die Jahre hinweg tatsächlich vergessen. Bella sieht viel, sie zieht teils sehr clevere Schlüsse. Klar macht sie Sachen, die nicht gut für sie sind, aber sie weiß selbst, dass sie nicht gut für sie sind. Das ist nicht dumm, das ist leichtsinnig. Das einzige, was sie nie begreift, ist, wenn Jungs sie mögen, was vermutlich an ihrem unterirdischen Selbstbewusstsein liegt, sie jedoch naiv wirken lässt.

Edward ist nicht perfekt --- Ich weiß nicht, warum ich immer dachte, Edward sei perfekt. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass ich das Buch mit sechzehn Jahren gelesen habe, aber mein 25-jähriges Ich sieht offenbar Dinge, die ich früher nicht sehen konnte oder wollte. Die Dynamik in der Beziehung z.B. Dass Bella Edward absolut vergöttert. Dabei hat Edward Recht, wenn er sagt, sie übersehe seine Fehler. Das tut sie. Edward macht ständig ziemlich dämliche Sachen und Bella himmelt ihn halt für alles an, das er tut. Diese Perspektive einzunehmen, hat mir Edward etwas sympathischer werden lassen.

Warum Twilight trotzdem nicht gut ist


Edwards Alter --- Klar, Vampire altern nicht. ABER: Ich bin heute ein völlig anderer Mensch als vor zehn Jahren und ich würde ganz ehrlich nicht mit jemandem zusammen sein wollen, der zehn Jahre jünger ist als ich (Da ich beim Schreiben dieses Posts schon 28 bin, wäre diese Person dann in Bellas Alter). Das liegt nicht daran, dass ich Falten bekommen habe oder meine Knie manchmal wehtun oder sonst etwas Körperliches, sondern an den Erfahrungen, die ich gemacht habe. Edward dagegen ist nicht nur 10 Jahre älter als Bella, sondern ca. 90 Jahre. Bella beschwert sich darüber, dass er sie manchmal wie ein Kind behandelt, aber ganz ehrlich? Ich würde sie auch wie ein Kind behandeln, wenn ich über 100 bin und sie noch nicht einmal volljährig. Ich finde ja schon Michael Wendler und Laura Müller creepy. Was das hier ist, das spielt nochmal in einer ganz anderen Liga.

Bellas Charakter --- Oh Mann, Bella. Ihr ständiger Wunsch, sich für alle aufzuopfern, wie sie sich selbst immer runtermacht, was sie alles nicht kann und nicht ist... Ehrlich, Stephenie Meyer hat glaube ich Komplexe, die sie hier verarbeitet hat. Bella ist einfach nervig und es ist absolut unrealistisch, wie sehr alle Kerle ihr hinterherhecheln. Selbst wenn sie supermegahübsch ist. Ich kenne so viele Frauen, die hübsch sind, die aber in der Disko z.B. nie angesprochen werden, weil sie kein Selbstbewusstsein haben und das auch ausstrahlen. In der Realität funktioniert sowas einfach nicht. Dass Edward sie interessant findet, das ist eine andere Sache. Und er ist vor allem auch nicht sofort mega verknallt in sie. Was die anderen Typen machen, das ist ja schon Belästigung.

Die Sinnlosigkeit / Logiklücken der Fantasy Aspekte --- Das ist ein klarer Fall von: Fantasy ist nur ein kleines bisschen zum Ausschmücken der Liebesgeschichte da. Es wurde nicht viel Zeit in das Ausarbeiten der Vampire als Fantasywesen gesteckt. Das merkt man auch in der Inkonsistenz, die sich in den späteren Romanen in Bezug auf die Vampire ergibt. In diesem Teil kommen vor allem wie aus dem Nichts irgendwelche Eigenschaften der Vampire heraus, die teilweise nicht zu deren Lebensweise passen.

Der fehlende Plot --- Es. passiert. so. gut. wie. nichts. Die komplette Handlung könnte man in 3-4 Sätzen zusammenfassen, ohne dass wichtige Punkte fehlen. Die Dinge, die passieren werden dabei auch immer überdramatisiert, damit es sich so anfühlt, als ob viel passieren würde.

The Ridiculousness --- Gott, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt sooooo viele Stellen, an denen man stutzt und sich denkt "WTF?". Davon angefangen, wie alle Menschen außer Bella in dieser Geschichte beschrieben werden: Dumm, oberflächlich, ohne tiefergehende Persönlichkeit. Die Geschwindigkeit, mit der alle Jungen auf Bella draufgehen wie sabbernde Hunde... Vielleicht ist ihr Duft bloß eine Mischung aus ganz besonderen Pheromonen? Aber normalerweise müsste es ja ihr BLUT sein, das so riecht und das können Menschen bekannterweise nicht riechen, solange es sich noch im Körper befindet.
Hinzu kommen Sachen wie glitzernde Vampire. Dazu muss man wirklich nichts sagen.


Insgesamt hat das Buch jetzt von mir 2 Sterne bekommen. Das sind deutlich mehr als so manch anderer Roman wohlgemerkt, aber deutlich weniger als es nach dem ersten Lesen von mir bekommen hätte, hätte ich damals schon Bücher rezensiert. Trotzdem verurteile ich mein 16-jähriges Ich nicht. Es gibt Bücher für bestimmte Zeitpunkte. Twilight kam für mich am rechten Ort und zur rechten Zeit damals. 

Kommentare

  1. Hallo Amelie,

    fühle mich gerade wie die creepige kleine Stalkerin, die aus dem Nichts auftaucht und unzählige Kommentare da lässt. Kann dir aber versichern, dass ich dich nicht beim Schlafen beobachte. (Schlechter Twilight-Witz unter Twilight-Post, sorry.)

    Ich bin gerade sehr beeindruckt davon, dass du dich nach all den Jahren nochmal an das Buch herangewagt hast. Ich habe es letztens bei einer*m Freund*in gesehen und kurz reingelesen, und fand den Schreibstil viel zu kitschig und anstrengend. Zusätzlich zu dem Aspekt, dass ich die Liebesgeschichte aus heutiger Sicht unfassbar toxisch finde, wäre das wohl absolut nichts für mich. Allerdings: Mit 11 oder so, als ich die Reihe das erste Mal gelesen habe, fand ich sie, glaube ich, auch toll.

    Aber ja, der Punkt mit dem Alter ist auch so einer, den ich mittlerweile super albern und unnachvollziehbar finde (ich hätte jedenfalls keine Lust, mich nochmal in eine High School zu setzen und zum x-ten Mal Stoff zu wiederholen). Was allerdings auch nicht nur Twilight betrifft, sondern generell einige Jugend- und/oder Fantasybücher, und mich mittlerweile generell stört, aus genau den von dir genannten Gründen. ^^

    Liebe Grüße
    Dana

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    1. Hallo Dana,

      Quatsch, ich habe mich riesig über die Kommentare gefreut! Hab mich schon ein bisschen gefragt, ob das hier überhaupt noch jemand liest. Aber zumindest eine Person scheint noch dabei zu sein.
      Man merkt am Gendern, dass du vor Kurzem noch Bachelorarbeit und Hausarbeit schreiben musstest (HA! Wer ist jetzt die Stalkerin...).

      Liebe Grüße

      Amelie

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