Buchkolumne | Der Einfluss von Booktube/Buchbloggen auf das Lesen




Sehr geehrte Leser und Leserinnen,

Sicher haben einige von euch geglaubt, dass ich mich in Luft aufgelöst habe. Fair, immerhin ist mein letzter Post hier dann doch einige Jahre her. Drei Jahre um genau zu sein und selbst diese Beiträge sind nur Postings meiner Rezensionen auf goodreads gewesen. Der letzte Post, den ich tatsächlich aktiv für den Blog geschrieben habe, geht ins ferne, ferne Jahr 2016 zurück und bezog sich auf die Veröffentlichung meines zweiten Romans. Kommt mir vor, als wäre das ein ganzes Leben her.
Heute möchte ich mich jedenfalls zurückmelden. Keine Ahnung, vielleicht liest das hier auch einfach niemand mehr, man weiß es nicht?! Selbst dann schreibe ich diesen Post halt nur für mich selbst. Also auf gehts!

1. Worum soll es gehen?


Ich bin nun einige Jahre schon nicht mehr in der online Buchszene unterwegs. Zum einen liegt das an der Szene selbst, allerdings soll es darum nicht primär gehen. Stattdessen geht es darum, wie sich diese 6-7 Jahre des intensiven Beschäftigens mit Büchern auf mein Leseverhalten ausgewirkt haben. Denn dass das alles eine Auswirkung hatte, das lässt sich nicht bestreiten. 
Dazu nehme ich gleich verschiedene Aspekte in den Blickwinkel. Ich möchte anmerken, dass es dabei nur um meine persönliche Sichtweise geht. Auf andere Menschen mögen sich diese Dinge völlig anders ausgewirkt haben. Ich möchte lediglich beschreiben, welchen Einfluss das alles auf mich hatte und vor allem welche Fehler ich auch teilweise selbst dabei begangen habe. Ich hatte jetzt einige Jahre Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen, warum ich erst immer mehr und dann schlagartig so gut wie gar nicht mehr gelesen habe. Und für dieses "gar nicht mehr" hat der Einfluss von Booktube/Buchbloggen sicher eine Rolle gespielt. Insgesamt soll es aber zentral um fünf Aspekte gehen: Buchkritik, Soziale Anerkennung, Rezensionsexemplare, Flucht und Objektivität.

2.1 Der kritische Blick auf Bücher


Je mehr man liest, desto mehr Fehler sieht man. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern diese Theorie belegt ist, aber für mich zumindest galt: Je besser ich mich mit etwas auskenne, desto eher bemerke ich auch, wann etwas nicht so ist, wie es sein sollte. 
Durch die vielen Rezensionen wird das lesende Auge darauf geschult, den Text, der vor einem liegt, nicht nur aus purem Genuss zu lesen, sondern ihn dabei auch zu analysieren. Als ich angefangen habe, wollte ich einfach nur meine simple Meinung nach dem Lesen eines Buches teilen, aber je länger ich das gemacht habe, desto mehr hatte ich auch bereits während des Leseprozesses im Kopf, was ich in der Rezension dazu sagen möchte. Das wiederum hat dazu geführt, dass ich Bücher nicht mehr wie normale Leser genossen habe, sondern sie mit einem kritischen Blick gelesen habe. Zunächst ist das nicht unbedingt etwas Schlechtes. Immerhin habe ich dadurch reflektierter gelesen als noch zu Beginn. Habe bestimmte Handlungsweisen von Charakteren z.B. problematisiert. Allerdings führte es auch unweigerlich dazu, dass ich Geschichten nicht mehr simpel genießen kann.
Ein weiterer Einfluss dieses kritischen Blicks ist der auf den Verlauf der Geschichte und das spiegelt sich nicht nur bei Büchern, sondern auch bei Filmen und TV-Serien wieder. Es ist mir nicht mehr möglich das ständige Analysieren darauf, wie die Geschichte weiter verlaufen wird, abzustellen, was dazu führt, dass ich bei vielen Geschichten den kompletten Verlauf bereits kurz nach Beginn im Kopf habe. Ich kann mich nicht mehr zurücklehnen und mich von der Handlung tragen lassen und das ist verdammt schade.

2.2 Der Einfluss der sozialen Medienkultur


An dieser Stelle ein großes: Schande über mich.
Denn ich muss zugeben, dass ich mich von der sozialen Bestätigung, die einem auch in der online Buchcommunity begegnet, habe beeinflussen lassen. Es liegt vermutlich in der Natur des Menschen, gerne "Likes" zu bekommen, egal ob online oder analog. In Bezug zum Leseverhalten hat das zu zwei Auswirkungen geführt: Ich habe mehr gelesen und mehr Bücher erhalten und ich habe vieles extrem ausgedrückt, weil das eben ankam (ob negativ oder positiv ist dabei eigentlich irrelevant). Ich habe das dabei nicht bewusst, sondern eher unterbewusst getan.
Leser von Buchblogs und Zuschauer bei Booktube mögen es unglaublich gerne, wenn irgendwo besonders VIEL gelesen oder besonders VIELE Bücher gekauft werden. Das ist auch eigentlich logisch, denn je mehr davon, desto mehr Content und desto eher stößt man auf ein Buch, das einen interessiert. Aber je mehr man liest, desto mehr "muss" man auch rezensieren und desto mehr Arbeit hat man. Und dann kann so ein Buchblog/Booktube-Kanal schon mal zeitlich so viel Raum einnehmen wie ein "richtiger" Job.
Ein anderer Effekt der Struktur, besonders von Booktube, ist die Mentalität des Vergleichens. Ich zumindest habe mich ständig mit anderen verglichen (natürlich nur mit denjenigen, die "erfolgreicher" sind als ich und natürlich nur diese wahrgenommen). Habe analysiert, warum diese Leute besser ankommen und in den wenigen Fällen, wo ich es nicht nachvollziehen konnte, hat es mich regelrecht frustriert. Das ist unglaublich schade und im Nachhinein ziemlich dumm. Die einzige Person, mit der man sich vergleichen sollte, ist man selbst. Und selbst da (siehe Punkt 2.5) gibt es immer noch Einflussfaktoren.

2.3 Das Problem mit Rezensionsexemplaren


Es gab eine Zeit, da waren mindestens 50% der Bücher, die ich gelesen habe, Rezensionsexemplare. Auf der einen Seite hatte das den Vorteil, dass mein Geldbeutel nie unter meinem Hobby gelitten hat (andernfalls kann das sehr sehr kostspielig werden). Auf der andren Seite war ich bei all diesen Büchern gezwungen, sie zu lesen und zu rezensieren und obendrei verspürt man bei diesen Büchern dann auch noch den Druck, eine Rezension zu schreiben, die angemessen erscheint im Vergleich dazu, dass der Verlag sich immerhin die Mühe gemacht hat, einem das Buch zur Verfügung zu stellen. Ich habe mich zwar nie groß in meiner Bewertung beeinflussen lassen, aber ich habe mich definitiv in meiner Ausdrucksweise öfters auch mal zurückgehalten, eben weil es sich um ein Rezensionsexemplar handelte.
Die Rezensionsexemplare haben sich auch sehr stark auf meinen SuB und die Menge meiner Bücher ausgewirkt, aber das ist noch einmal ein anderes Thema.
Fakt ist: Heute würde ich nicht mehr so viele Rezensionsexemplare anfordern und ganz besonders keine unangefragten Exemplare annehmen. Ein Buch zu lesen, was man sich nicht selbst ausgesucht hat, gezwungen zu sein, dieses zu beenden und dann noch eine Rezension dazu schreiben zu müssen. Das ist das alles nicht wert.
Ich bin den vielen Verlagen noch immer sehr dankbar. Aber die haben das auch nicht alleine aus der Güte ihrer Herzen gemacht.

2.4 Bücher als Flucht vor der Realität


Jetzt folgt vermutlich der persönlichste Teil dieses Blogposts.
Ich bin schon immer jemand gewesen, der viel Fantasie besitzt und gerne mal in den eigenen Gedanken und Vorstellungen abtaucht. Ich war die Art von Kind, die von der Mutter festgehalten werden musste, damit sie nicht gegen ne Wand läuft. Ach seien wir ehrlich, ich laufe auch heute noch regelmäßig gegen Wände, Laternenpfäle und meine Mitmenschen natürlich. An sich ist das eine Eigenschaft an mir, die ich sehr schätze und ohne die ich z.B. auch niemals einen eigenen Roman beendet hätte. Allerdings neige ich auch dazu, wenn ich Probleme habe, meinen Kopf in den Sand zu stecken. Und der Sand waren für mich jahrelang die Bücher. Ach, in meinem Studium läuft es nicht so gut und ich fühle mich nicht so wirklich wohl, mit dem, was ich da tue? Lesen wir doch einfach den ganzen Tag lang, dann müssen wir uns darüber keine Gedanken machen. Probleme haben allerdings die Angewohnheit, dass sie nicht weggehen, wenn man sie ignoriert. Im Gegenteil. Und je größer meine Probleme wurden (z.B. hilft es im Studium überhaupt nicht, wenn man so viel Zeit wie ich in Bücher, Bloggen, Booktube, Schreiben steckt), desto mehr wollte ich fliehen und desto mehr habe ich mich mit Büchern beschäftigt. Sehr persönliche Problematik, aber auch heute muss ich jedes Mal, wenn ich wieder anfange, mehr zu lesen, aufpassen, dass ich es nicht übertreibe und die Bücher nicht nutze, um mich der Realität nicht stellen zu müssen.
Fakt ist: Bücher sind echt geil. Aber kein Buch ist so gut, dass es an ein schönes reales Erlebnis heranreichen könnte.

2.5 Die Illusion von Objektivität und das Genre der Jugendromane


Ich habe nie behauptet, Rezensionen seien objektiv. Im Gegenteil habe ich besonders bei negativen Rezensionen häufig betont, dass das alles Geschmackssache ist und jeder sieht das anders blablabla. Aber tief in meinem Herzen, da dachte ich schon, ich hätte mehr Ahnung davon als der Rest der Welt. Wenn ich heute darauf zurückblicke, muss ich anhand dieser Engstirnigkeit ein wenig schmunzeln. Heute weiß ich, dass eine Geschichte mit dem letzten Federstrich bzw. der letzten angeschlagenen Buchstabentaste noch lange nicht beendet ist, sondern der Prozess der Rezeption durchaus eine Rolle spielt. Dabei zählt: Wer liest das Buch, wo und in welchem Kontext liest diese Person das Buch und ganz besonders wann liest diese Person das Buch. Dieselbe Person kann ein Buch zu einem bestimmten Zeitpunkt grauenvoll finden, es aber Jahre später in die Hand nehmen und abgöttisch lieben. Genauso andersherum. Ich habe mich immer einer Illusion von Objektivität hingegeben, zumindest in dem Maße, dass ich dachte, meine Meinung wäre etwas sehr Stabiles, das sich mit der Zeit auch nicht ändern wird. Aber es ist wohl klar, dass ich "Murkel ist wieder da" von Dieter und Ingrid Schubert heute mit ganz anderen Augen sehe als ich das als Kind getan habe (auch wenn ich es noch immer sehr gut finde). Trotzdem war ich der Meinung, dass ich z.B. "Rubinrot" von Kerstin Gier mit 17 genauso toll finden werde wie mit 27. Totaler Quatsch. Heute denke ich mir, dass Rezensionen natürlich ihre Daseinsberechtigung besitzen, aber nichtsdestotrotz eigentlich nur Momentaufnahmen sind.
Natürlich gibt es auch bei Objekten der Kunst, wozu Romane theoretisch ja zählen, Dinge, die stümperhaft gemacht sein können, aber man muss doch immer im Auge behalten, wer die Zielgruppe ist. Wenn mir ein whiny, steamy Liebesdreieck auf den Sack geht, sollte ich dabei durchaus berücksichtigen, dass es sich um einen Liebesroman für Jugendliche handelt und realisieren, dass ich (zu dem Zeitpunkt) locker mal 10 Jahre über der Zielgruppe lag. Jugendbücher können gar nicht die Ansprüche erfüllen, die die Buchcommunity an sie gestellt hat. Wie sollen Jugendromane zum einen für tatsächliche Jugendliche perfekt geeignet sein, deren Fantasien abdecken, deren Herzen höher schlagen lassen und gleichzeitig aber Buchbloggerinnen gefallen, die Mitte zwanzig sind und teilweise ganz andere Lesebedürfnisse besitzen. Das ist unglaublich schwierig und gelingt in den wenigsten Fällen. Entweder man muss sich darauf einlassen, dass man eben nicht zur Zielgruppe gehört und mit typischen Elementen des Genres klarkommen, oder aber man muss sich Romanen zuwenden, in dessen Zielgruppe man tatsächlich gehört.

3 Fazit


Wie hat sich das alles demnach auf mein Leseverhalten ausgewirkt? Negativ. Sehr negativ. Wenn ich heute zurückgehen und mit meinem 17-jährigen Ich sprechen könnte, würde ich der kleinen Amelie diesbezüglich sagen: Lass es ruhig angehen. Übertreib es nicht. Verlier dich nicht in dieser ganzen Buchwelt, weil es dir nicht gut tun wird. GEH VERDAMMT NOCHMAL RAUS!
Bücher werden immer eine große Rolle in meinem Leben spielen, weil ich Geschichten im Allgemeinen und auch spezifische Geschichten sehr liebe und sie mein Leben und mich als Person geprägt haben. Aber heute, wo ich nur noch einen geringen Teil meiner Zeit mit Büchern verbringe, kann ich diese wenige Zeit dann endlich, endlich wieder so genießen, wie es eigentlich von Beginn an der Fall hätte sein sollen. Und dafür bin ich sehr dankbar.


Ey keine Ahnung, was das jetzt überhaupt war und ob jemand 1.) das überhaupt sieht und 2.) dann tatsächlich liest. Für mich zumindest war es aufschlussreich, meine Gedanken mal zu ordnen.
Ich hoffe, ihr alle habt viel Spaß am Lesen und wir lesen uns möglichst bald wieder!

Amelie ♥

Kommentare

  1. Hey, ich dachte wirklich ich irre mich, als ich gerade den Beitrag im Feedreader gesehen habe. Freut mich, wieder etwas von dir zu hören. Ich kann einige Punkte des Beitrags richtig gut nachvollziehen und finde es super, dass du weider eine bessere Art für dich gefunden hast, mit Büchern umzugehen.
    Liebe Grüße!

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    1. Hey du :)

      Danke für den Kommentar. Schön, dass du auch immer noch dabei bist. ♥ Wie lange das jetzt auch einfach schon ist...

      Ganz ganz liebe Grüße zurück!

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    2. Sehr gerne! Stimmt, ist schon ewig her, dass das alles angefangen hat :D
      Freut mich auch richtig, dass ich so lange noch in Erinnerung geblieben bin, dein Blog war damals der Grund, weshalb ich überhaupt auf die Idee gekommen bin, auch einen zu starten :)

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  2. Hallo Amelie,

    keine Ahnung, ob du dich an mich erinnerst - ich war eher eine stille Leserin - aber dein Blog war damals einer meiner Vorbilder, als ich angefangen habe, und ich habe es nicht über's Herz gebracht, ihn von meiner Abo-Liste zu löschen. Umso mehr habe ich mich gerade gefreut, als ich entdeckt habe, dass du wieder etwas gepostet hast! *o*

    Ich verstehe deinen Punkt mit dem kritischen Lesen absolut. Wobei ich zwischendurch auch ein Jahr Blogpause gemacht habe und gemerkt habe, dass ich das trotzdem nicht abstellen konnte, mich das aber auch nicht unbedingt gestört hat, weil ich Spaß daran habe, Bücher zu rezensieren. (Meistens zumindest.) Ich mag es, wenn ich Bücher genauo deswegen toll finde, weil ich character oder plot development, Schreibstil, usw. wertschätze. Und ich glaube, ich lese nicht nur dank des Bloggens, sondern auch dank des Schreibens kritischer. Dennoch verstehe ich es auch, zu vermissen, einfach nur Spaß beim Lesen zu haben ...
    Und ja, auch das Vergleichen kommt mir bekannt vor. Das Gefühl, nicht "erfolgreich" genug zu sein. Auch ein Grund für die Pause. :x

    Finde übrigens auch den Punkt mit den Jugendbüchern und Genrekoventionen sehr wichtig. Ich habe das Gefühl, dass das manchmal untergeht, auch bei mir selbst, wenn ich vernachlässige, dass ich auch nicht mehr so wirklich zur Zielgruppe gehöre.

    Auf jeden Fall ein toller, ehrlicher Post, vielen Dank dafür! <3 Und falls du wieder Spaß am Bloggen findest, freue ich mich auf neue Beträge von dir!

    Liebe Grüße
    Dana

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    1. Hall Dana,

      Ich freue mich riesig über deinen Kommentar! Schön, dass noch ein paar treue Leserinnen mit am Start sind :)
      Finds total schön, dass du nochmal die positiven Seiten betont hast. Du hast völlig Recht: WENN ich mal was mag, dann stehe ich auch wirklich dahinter und kann auch wirklich sagen, warum ich das jeweilige Buch mag. Und natürlich rezensieren wir auch alle mega gern, sonst würden wir nicht bloggen. Daran habe ich in letzter Zeit auch wieder die Freude gefunden!
      Und JA, das Schreiben ist auch sowas, das einen mega beeinflusst.

      Ganz ganz liebe Grüße zurück! ♥

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